Praxisgerechte Regelwerke

Bauwerke stellen in der Regel Unikate dar. Deshalb sind praxisgerechte Baunormen als Grundlage für eine fehlerfreie Planung und Ausführung von Bauwerken unverzichtbar. Auch weil die Ansprüche an unsere Bauwerke ständig wachsen, müssen die verschiedenen technischen Regelwerke sicher handhabbar und untereinander widerspruchsfrei sein.

Nahezu jedes Bauwerk wird individuell geplant und errichtet. Gemessen an den Produktentwicklungskosten von Serienprodukten stehen für die Planung eines Bauwerks nur geringe Mittel zur Verfügung. Dennoch gilt jede auch noch so geringe Abweichung von anerkannten Regeln der Technik als Mangel, der für Planer und Bauausführende negative Folgen haben kann.

Im Hinblick auf die Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und Ressourcenschonung haben sich die Anforderungen an Bauwerke in den letzten Jahrzehnten deutlich erhöht. Für die verschiedenen beteiligten Fachplaner und Bauausführenden stellt es oftmals eine hohe Herausforderung dar, unter Beachtung aller unterschiedlichen und zum Teil gegensätzlichen Einzelanforderungen ein mangelfreies und nachhaltiges Bauwerk zu schaffen.

Leider trägt die Entwicklung der Baunormung in den letzten Dekaden dieser Grundanforderung nicht Rechnung. Die Anzahl der Regelwerke, deren Umfang und auch die Widersprüche zwischen einzelnen Normen haben sich auch unter dem Einfluss europäischer Normungsaktivitäten spürbar erhöht. Deshalb erscheint eine Konsolidierung der Baunormung im Sinne einer sicheren Handhabbarkeit und Widerspruchsfreiheit dringend geboten.

Problematische Tendenzen in der Baunormung

In den letzten Jahren wurde die Baunormung unter den Augen der staatlichen Bauaufsicht zunehmend am Stand der Wissenschaften und nicht an den Bedürfnissen der Baupraxis ausgerichtet. Sowohl die Anzahl als auch der Umfang der einzelnen Baunormen überfordern die Baubeteiligten zunehmend und sind als nicht mehr praxisgerecht zu beurteilen. Ein weiteres Problem stellen auch die zunehmend kürzeren Überarbeitungszyklen dar, die einen Überblick über die jeweils aktuellen Regeln der Technik erschweren.

Weiterhin wurden viele normative Einzelanforderungen z. B. an Wärmeschutz und Schallschutz erhöht. Die Wechselwirkungen der einzelnen Anforderungen auf die Baukonstruktionen wurden aber häufig nicht geprüft, so dass nicht aufeinander abgestimmte Normen zu komplexen und unwirtschaftlichen Konstruktionen führen und erheblich zu einer Verteuerung des Bauens beitragen.

Sichere Bauprodukte sind unverzichtbar

Die Bauwirtschaft, aber auch die Bauherren bzw. Verbraucher brauchen sichere Bauprodukte, die für ihre üblichen Anwendungszwecke ohne Einschränkungen geeignet und dauerhaft sind. Mit der europäischen Bauproduktenverordnung wurden europäische Bauproduktnormen eingeführt, die überwiegend Bauprodukte beschreiben, aber keine Anforderungen an Mindestgüten und –festigkeiten enthalten. Im Gegensatz zu den früheren deutschen Normen sehen die europäischen Bauproduktnormen auch bei sicherheitsrelevanten Bauprodukten keine unabhängige Fremdüberwachung der Produktion vor. Die deutsche Bauwirtschaft befürchtet hierdurch einen Qualitätsverlust bis hin zu Sicherheitsrisiken bei Bauprodukten und fordert daher entweder eine Nachbesserung der europäischen Bauproduktnormung oder die Beibehaltung zusätzlicher nationaler Mindeststandards, wie sie derzeit (noch) bauaufsichtlich geregelt sind.

Normenflut und hohe Komplexität überfordern die Praxis

In Folge der zunehmenden Verwissenschaftlichung weisen viele Baunormen eine sehr hohe Komplexität auf, die ihre sichere Handhabung für Planer und Bauausführende erschwert. Trotz Kritik und Bedenken seitens der Betroffenen wurden die äußerst komplexen Eurocodes zur statischen Bemessung von Bauwerken bauaufsichtlich eingeführt. Im Resultat führt die neue Art der statischen Bemessung zu deutlich unwirtschaftlicheren Konstruktionen und zu einer nicht mehr nachvollziehbaren Statik. Der ZDB setzt sich in der gemeinsam mit dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie sowie den Ingenieur- und Spartenverbänden gegründeten Initiative PraxisRegelnBau für eine Konsolidierung der Eurocodes ein.

Ein weiteres Problem stellen aus deutscher Sicht auch die oft mangelhaften, nicht von der EU-Kommission mandatierten europäischen Baunormen dar, die ein ausgereiftes nationales Normensystem in Gänze unbrauchbar zu machen drohen. Die Normenanwender in der Wertschöpfungskette Bau beklagen einen fortschreitenden Qualitätsverlust der Baunormung, der trotz verstärkter Anstrengungen in der Normungsarbeit bislang nicht korrigiert werden konnte.

Auswirkungen einer nicht praxisgerechten Baunormung

Nicht praxisgerechte und unverständliche Normen stellen ein Risiko für die Bauwerksicherheit dar und tragen zu Mängeln und Schäden an Bauwerken bei. Nach einschlägigen Schätzungen beträgt der volkswirtschaftliche Schaden durch fehlerhafte Planung oder Bauausführung über 1,5 Mrd. Euro jährlich.

Um mängel- und schadensfreie Bauwerke als Unikate planen und errichten zu können, bedarf es einer an den Bedürfnissen der Praxis orientierten Baunormung. Zudem verteuern erhöhte und konstruktiv widersprüchliche Anforderungen das Bauen überproportional. Im europäischen Vergleich setzt Deutschland mit Abstand die höchsten Maßstäbe sowohl an die Sicherheit wie auch an Behaglichkeit und Komfort der Gebäude. In Anbetracht der Forderungen nach bezahlbarem Wohnraum gilt es, die bewährten Standards mit Augenmaß fortzuschreiben anstatt das jeweils technisch Machbare zum Anforderungsniveau zu erklären.

Der ZDB setzt sich als Mitglied des DIN und der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) für praxisgerechte Regelwerke im Bauwesen ein. Dort wirken in weit über hundert Arbeitsgremien ZDB-Experten an der Erstellung der Bauregeln mit. Sie vertreten die Interessen der mittelständischen Bauwirtschaft, indem sie sich für an der Praxis orientierte Normen einsetzen. Darüber hinaus veröffentlicht der ZDB auch Merkblätter, die von den ZDB-Experten in den technischen Gremien erarbeitet werden.